Zuhause leben trotz Demenz

Diagnose Demenz - was nun? Priv.-Doz. Dr. Daniel Kopf (Chefarzt Geriatrische Klinik) beantwortet die wichtigsten Fragen, die an Demenz erkrankte Menschen und deren Angehörige beim Leben in den eigenen vier Wänden beachten sollten.

Welche Vorteile gibt es, wenn der Patient in der eigenen Wohnung bleiben kann?

Die meisten Menschen möchten gerne auch nach der Diagnose einer Demenz in ihrer eigenen Wohnung leben. Sie fühlen sich dort wohl – und nehmen für die vertraute Umgebung oft auch gewisse Risiken, vor allem was die Sicherheit angeht, in Kauf. Manchmal müssen sich Angehörige an diese Risikobereitschaft erst gewöhnen. In vertrauter Umgebung können sich Menschen mit Demenz meist besser orientieren und werden in ihrer Selbstständigkeit in alltäglichen Dingen bestärkt. Lieb gewordene Tätigkeiten und Hobbys können leichter aufrecht erhalten werden, auch wenn das Fortschreiten der Erkrankung Grenzen setzt.

Welche Veränderungen sollten im Haus vorgenommen werden?

Wenn der Erkrankte allein lebt, ist die Installation eines Hausnotrufs meist sinnvoll, die Benutzung muss aber geübt werden. Da die meisten Demenzkranken auch Probleme mit der Gangsicherheit haben, müssen Stolperfallen (z.B. Türschwellen, Teppiche) und Hindernisse beseitigt werden. Die Beleuchtung muss so hell sein, dass sich der Bewohner nachts gut zurechtfindet, Lichtschalter sollten gut erreichbar sein. Ein barrierefreies Bad ist ideal, Haltegriffe müssen installiert werden. Haushaltsgeräte, insbesondere Herde, müssen so abgesichert werden, dass von ihnen keine Gefahr ausgeht, z.B. durch Zeitschaltuhr am Herd. Viele Erkrankte benötigen Unterstützung bei der Bevorratung z.B. von Lebensmitteln. Abgelaufene Nahrungsmittel müssen regelmäßig entsorgt werden, die Versorgung mit frischen Nahrungsmitteln muss sichergestellt werden.

Welche Kriterien muss die Umgebung erfüllen, damit ein Demenz-Erkrankter sich wohl fühlt? 

Die Umgebung sollte möglichst vertraut sein, aber auch übersichtlich. Erinnerungsstücke von hoher emotionaler Bedeutung helfen zum Wohlfühlen. Dabei sollte aber darauf geachtet werden, dass Wege nicht zugestellt sind. Familienangehörige, insbesondere Enkel, sind meist willkommen, die meisten älteren Menschen neigen eher zu Einsamkeit. Je stärker die Aufnahmefähigkeit eingeschränkt ist, desto eher ist es aber sinnvoll, häufigere, aber kürzere Besuche einer kleineren Zahl von Angehörigen und Freunden einzuplanen. Das gilt natürlich besonders für Besuche von lebhaften Kindern. Ein wöchentlicher kurzer Besuch oder gemeinsamer Spaziergang in der Natur ist besser als die rauschende Geburtstagsparty einmal im Jahr, die dann die Betroffenen überfordert.

Ab wann ist es nicht mehr möglich, einen Demenz-Kranken zu Hause zu pflegen?

Schwierig ist die Situation, wenn Menschen mit Demenz häufig unter Angst und Unruhe leiden. Hier besteht die Gefahr, dass sie desorientiert die Wohnung verlassen, häufig Notdienste alarmieren oder Nachbarn und Angehörige ohne erkennbare Bedrohung um Hilfe rufen. Dadurch kann es zu auf Dauer nicht mehr tragbaren Belastungen der Angehörigen und Nachbarn kommen. Häufig unterschätzte Probleme in der eigenen Wohnung sind Einsamkeit und Langeweile durch fehlende adäquate Betätigungsmöglichkeiten. Manchmal helfen hier Tagesangebote wie Tagespflege. Aber in dieser Situation können Menschen in einer stationären Pflegeeinrichtung, wo Gruppenangebote verfügbar sind, richtig aufleben. Häufige Stürze sind ein weiteres Problem, das zu Hause nicht mehr lösbar sein kann. Selten ist es die Gefährdung durch unsachgemäßen Umgang mit Haushaltsgeräten (Elektroherd etc.), die eine Betreuung zu Hause unmöglich macht. Am häufigsten ist es aber die dauerhafte Belastung für pflegende Angehörige, die rund um die Uhr aufmerksam sein müssen und keinen eigenen Freiraum mehr genießen. Da pflegende Angehörige oft eigene gesundheitliche oder altersbedingte Einschränkungen haben, können Situationen der Überforderung entstehen.