Angst vor der Narkose?
Das muss nicht sein! 

Moderne Narkosemittel wirken gezielter, werden vom Organismus besser abgebaut, eine begleitende Schmerztherapie unterdrückt den Schmerz, spezielle Medikamente unterstützen die Vitalfunktionen der Organe. Im Marienkrankenhaus erwartet den Patienten ein hochspezialisiertes Team aus Fachärzten, Fachschwestern und  -pflegern für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie. Diese Spezialisten sorgen, unterstützt durch modernste Narkosetechnik, für die Sicherheit des Patienten vor, während und auch nach der Operation. Dazu ein Gespräch mit Prof. Dr. med. Norbert Rolf, Chefarzt Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie.

Warum haben viele Menschen immer noch Angst vor der Narkose?
Das ist verständlich, denn in den 50er- und 60er-Jahren war das Risiko, eine Narkose nicht zu überleben, relativ groß. Die Angst vor der Narkose haben viele Menschen im Gedächtnis gespeichert und über Generationen weitergegeben. Viele Patienten fürchten, dass während der OP etwas Unvorhergesehenes passiert. All diese Ängste sind völlig normal und dem Anästhesisten bekannt.

Portrait von Prof. Dr. Norbert Rolf
Schmerzexperte und Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, Prof. Dr. Norbert Rolf

Welche Narkoseverfahren gibt es heute und wann werden sie eingesetzt?
Es gibt verschiedene Verfahren. Die Auswahl des geeigneten Verfahrens richtet sich nach der individuellen Situation des Patienten. Geplantes OP-Verfahren, aktueller Befund, allgemeiner Gesundheitszustand und die Krankengeschichte werden berücksichtigt. Am häufigsten wird die Vollnarkose verwendet, gefolgt von der Regionalanästhesie (Leitungsbetäubung).

Bei der Vollnarkose wird ein zentral wirkendes  Schlaf- sowie Schmerzmittel direkt in die Vene gespritzt. Eventuell kommt noch ein Muskelerschlaffungsmittel oder ein Kreislaufmittel hinzu. Die Atmung des Patienten wird während der Operation mit Hilfe eines  Beatmungsgeräts unterstützt.

Bei der Leitungsbetäubung wird ein örtlich wirkendes Betäubungsmittel injiziert und die Nervenleitungsbahnen des Körpers zeitweise unterbrochen. Bei diesen Verfahren werden die rückenmarksnahen Methoden (Spinal- und Periduralanästhesie) und die peripheren Nervenblockaden, z. B. Schulter-Arm-Plexus-Anästhesie, unterschieden. Bei der Spinalanästhesie wird mit einer feinen Kanüle ein örtliches Betäubungsmittel im Lendenwirbelbereich dem Nervenwasser beigemischt. Das Rückenmark bleibt davon unberührt. So werden Beweglichkeit und Schmerzempfinden im unteren Körperbereich vorübergehend ausgeschaltet. Diese Methode wird bei operativen Eingriffen in der unteren Körperhälfte des Patienten angewandt. Sie hat den Vorteil, dass der Patient bei vollem Bewusstsein ist, über Kopfhörer mit beruhigender Musik begleitet wird und seine Lunge nicht künstlich beatmet werden muss. 

Viele Patienten glauben, regionale Verfahren seien sicherer und weniger belastend, stimmt das?
Ja, die Erfahrung habe ich auch gemacht. Richtig ist aber, dass regionale Verfahren in bestimmten Situationen ebenfalls Risiken haben. Dazu gibt es eine Untersuchung mit jungen, gesunden Patienten, die eine hohe Gefährdungsrate zeigten aufgrund von Blutdruckabfall durch die Blockade der Blutgefässnerven der unteren Körperhälfte. Diese können zum Schock führen und müssen frühzeitig und konsequent behandelt werden.

Bild aus dem Einleitungsraum
Bei der Auswahl der geeigneten Narkose werden geplantes OP-Verfahren, aktueller Befund, allgemeiner Gesundheitszustand und die Krankengeschichte des Patienten berücksichtigt.

Wie können solche Ängste abgebaut werden? Wichtig ist, dass der Patient  im Vorgespräch mit dem Anästhesisten diese Ängste ausspricht und alle Fragen stellt, die ihn bewegen. Nur so kann der  Arzt den Patienten optimal aufklären und Vertrauen schaffen. Im Anästhesiegespräch wird auch die Vorgehensweise des gewählten Narkoseverfahrens erklärt und der Patient über Risken und eventuelle Komplikationen aufgeklärt. Am Abend vor der OP oder am Tag der OP erhält der Patient meistens ein Beruhigungsmittel.

Was genau geschieht bei der Vollnarkose? 
Bei der Vollnarkose wird das Bewusstsein des Patienten während der OP ausgeschaltet. Die Schmerzausschaltung erfolgt durch morphinähnliche Schmerzmittel (synthetische Opiate). Ferner werden Medikamente zur Muskelerschlaffung und häufig Mittel, die das vegetative Nervensystem beeinflussen, verabreicht. Weil dadurch der Atemantrieb verloren geht, muss der Patient während der Vollnarkose künstlich beatmet werden. 

Bei kurzen Eingriffen erfolgt die Beatmung durch eine Beatmungsmaske, die über Mund und Nase eng anliegend aufgesetzt wird. Bei längeren oder größeren Eingriffen wird ein Beatmungsschlauch in die Luftröhre eingeführt.

Was hat sich bei den Narkosemitteln verändert?
Die Medikamente für Narkoseverfahren sind sehr unterschiedlich. Grundsätzlich gibt es Schmerz – und Hypnosemittel, die individuell für den Patienten zusammengestellt werden. Früher wurden flüchtige Substanzen (Narkosegase) eingesetzt. Das erfolgt auch heute noch, aber es werden andere Gase mit günstigeren Eigenschaften und weniger Nebenwirkungen verwendet. Diese individuelle Komposition der Narkosemittel entscheidet darüber, wie die Mittel im Körper des Patienten abgebaut werden. Zum Einsatz kommen Schlafmittel, die  injiziert werden und den Patienten bewusstlos machen, wie z. B. Propotol. Ferner werden Gassubstanzen eingesetzt, die sich heute besser steuern lassen und weniger Übelkeit hervorrufen. 80-90 Prozent der Patienten haben kein Erbrechen, keine Übelkeit nach dem Aufwachen. 

Welche Rolle spielt dabei die Schmerztherapie? 
Die Schmerztherapie ist heute ganz entscheidend. Je schwerer der Eingriff oder je beeinträchtigter der Patient, umso mitbestimmender ist die Schmerztherapie für das Ergebnis der OP. Bei großen Eingriffen an der Lunge oder am Magen wird ein periduraler Katheter in Höhe der Brustwirbelsäule angelegt, über den einige Tage gezielt Schmerzmittel verabreicht werden. 

Das Marienkrankenhaus Hamburg ist als „schmerzfreies Krankenhaus“im operativen Bereich ausgezeichnet. Ziel ist eine optimale Narkose und Schmerzbehandlung, wodurch Komplikationen reduziert und die Ergebnisse im operativen Bereich verbessert werden.

Anästhesie-Team vor dem OP-Saal
Prof. Dr. med. Norbert Rolf und das Anästhesie-Team bereiten sich auf den Eingriff im OP vor.

Wie groß ist heute das Narkoserisiko für den Patienten?
Das Risiko, an den Folgen einer Narkose zu sterben, ist in Deutschland extrem gering. Ausgenommen sind Schwerkranke oder Patienten in Notfallsituationen. Hierbei kann es natürlich aufgrund der Schwere der Erkrankung oder Verletzung zusammen mit der notwendigen Narkose zu erheblichen Beeinträchtigungen kommen.

Gibt es spezielle Probleme bei älteren Menschen?
Je älter der Mensch, umso größer sind die Einschränkungen von Organfunktionen. Daher erhalten solche Patienten zum Schutz der Organe (Nieren, Herz, Gehirn) spezielle Medikamente, die die Vitalfunktionen unterstützen. Ältere Menschen weisen auch nach Operationen deutliche, aber vorübergehende  Einschränkungen der kognitiven Fähigkeiten auf. Hierbei spielt die Art des  Anästhesieverfahrens (Regional- oder Allgemeinanästhesie) keine besondere Rolle. Viele ältere Menschen haben auch nicht erkannte Vorerkrankungen, daher machen wir beispielsweise bei Patienten über 65 Jahren immer ein EKG. 

Was kann der Patient tun, damit die Narkose optimal verläuft?
Er sollte sich auf das Gespräch mit dem Anästhesisten gut vorbereiten und seine Unterlagen, die er von der Klinik erhalten hat, mitbringen, samt vollständiger  Krankengeschichte. Dazu gehören auch Auskünfte über Erkrankungen und operative Eingriffe, die lange zurückliegen. Und er sollte die Empfehlungen bezüglich des Trinkens und Essens vor der OP unbedingt beachten.

Infos zur Narkose

Die sichere Narkose auf einen Blick (Berufsverband Deutscher Anästhesisten e.V., BDA)