Tabuthema Harninkontinenz?
Edelgard Frerks-Merseburger (60) war eine sehr aktive Frau, beruflich in ganz Deutschland unterwegs, fuhr sie in der Freizeit regelmäßig Drachenboot und betrieb weitere Sportarten. Vor drei Jahren spürte sie, dass die Blase tröpfelt. Noch ein Jahr wartete sie ab, dann entschied sie sich für eine OP.
Die Gründe einer Harninkontinenz sind vielfältig, wegen des Alters, aufgrund einer angeborenen Fehlbildung, eines Unfalls oder Geburten – rund neun Millionen Menschen leiden in Deutschland unter Harninkontinenz, ermittelte die Deutsche Kontinenz-Gesellschaft. Doch offen darüber gesprochen wird selten, darum reden Experten auch von der „verschwiegenen Volkskrankheit“. Frauen leiden häufiger daran: „Etwa ein Drittel sind von der senkungsbedingten Harninkontinenz – auch Belastungs- oder Stressinkontinenz genannt – betroffen“, berichtet Assoc. Prof. Ahmed Farouk Abdelkawi EG, Chefarzt der Frauenklinik am Marienkrankenhaus und spezialisiert auf die Behandlung von Harninkontinenz.
Die ersten Beschwerden traten beim Hallensport auf, „Die Blase tröpfelte, das war vor etwa drei Jahren.“, sagt Edelgard Frerks-Merseburger. Die sportliche Frau fuhr zudem Drachenboot, trainierte zweimal die Woche, hatte an der Deutschen Meisterschaft teilgenommen, im August 2013 sogar an der Europameisterschaft. Doch nicht nur in der Freizeit bereitete die Blase Probleme, jobbedingt saß die Hamburgerin häufig im Auto, sie überführte diese innerhalb Deutschlands. „Der Drang war schon da, zur Toilette zu gehen, aber am stärksten war er beim Laufen und Husten“, berichtet sie. „Ich habe grundsätzlich Einlagen getragen.“
Ein Jahr des Wartens – bis der Arztbesuch Klarheit bringt
Nach einer Weile verschlechterte sich die gesundheitliche Situation. „Meine Blase hat sich gesenkt. Ich merkte direkt: Es riss etwas. Auch auf der Toilette hatte ich das Gefühl, ich kann meine Blase spüren.“ Etwa ein Jahr wartete sie ab, ging dann zur Frauenärztin. „Die bestätigte mein Gefühl und stellte fest, dass sich die Blase deutlich gesenkt hatte.“ Der Chefarzt der Frauenklinik mit Beckenbodenzentrum, Assoc. Prof. Ahmed Farouk Abdelkawi EG, erklärt: „Ist die Blase stark gesenkt, so kann es durchaus sein, dass Frauen diese spüren beim Toilettengang, oft sind es auch Teile der Scheidenwand. Man kann das abgesenkte Gewebe unter Umständen selbst ertasten.“
Die Gynäkologin riet ihr, die Blase operativ anheben zu lassen, und einen Termin zur Voruntersuchung im Marienkrankenhaus zu machen. „Doch man geht nicht sofort, das geht sicher vielen Menschen so, man wartet, auch wenn die Beschwerden einen belasten“, berichtet die 60-Jährige. Aber irgendwann wurde der Leidensdruck zu groß: „Jetzt lass’ ich das machen, sagte ich mir dann.“

“Gynäkologische Erkrankungen sind für viele Frauen mit Unsicherheit und Sorgen verbunden. Mein Anliegen ist es, Sie in schwierigen gesundheitlichen Phasen nicht nur medizinisch bestmöglich zu versorgen, sondern auch mit Mitgefühl und Zuversicht zu begleiten.”
– Assoc. Prof. Ahmed Farouk Abdelkawi EG, Chefarzt
Zwei Operationen waren notwendig
Über den ersten Eingriff berichtet die Hamburgerin: „Nach der ersten OP war ich drei Tage im Krankenhaus. Man muss ein bisschen vorsichtig sein, darf nicht schwer heben, soll viel trinken. Beim Wasserlassen hatte ich überhaupt keine Schmerzen. Aber späterhin senkte sich die Blase wieder, und das Wasserlassen war schwieriger als zuvor.“ Im Januar 2013 wurde sie das zweite Mal operiert und eine Netzeinlage wurde eingesetzt.
Chefarzt Abdelkawi erklärt zu den Eingriffen: „Wird operiert, stehen häufig zwei Operationen an. Zunächst greift die Beckenbodenchirurgie, das heißt der Beckenboden wird gegebenenfalls mit Hilfe eines Netzes rekonstruiert. Danach erst erfolgt die eigentliche Inkontinenz-Chirurgie. Hierbei wird beispielsweise ein elastisches Band eingesetzt, gegen dass sich die Harnröhre abdrücken kann – so dass sie wieder ein Wiederlager als Ersatz für das Bindegewebe hat. Diese OP kann minimal-invasiv durchgeführt werden. Und nach drei Tagen inklusive OP-Tag ist man wieder draußen. Wird der Beckenboden etwa mit einer Netzeinlage rekonstruiert, muss man gut mit vier bis fünf Tagen rechnen – und man sollte sich danach sechs Wochen schonen, so dass das Netz sich gut mit dem eigenen Gewebe verbindet.“ Weiter erklärt der Mediziner, weshalb diese Operationen nicht in nur einem einzigen Eingriff zusammengefasst werden können: „Es ist erfolgsversprechender, zwei Eingriffe anzusetzen, denn dreht man an zu vielen Stellschrauben auf einmal, um es salopp auszudrücken, ist das Risiko höher, dass das Ergebnis – ein gut rekonstruierter Beckenboden, Blase, Gebärmutter und Harnröhre wieder an ihrer angestammten Position und kein ungewollter Urinverlust mehr – leidet.“
Den Beckenboden gut trainieren
„Nach der zweiten OP ist es besser geworden. Ich muss nun allerdings mein Leben lang Hormonzäpfchen nehmen, um die Netzeinlage elastisch zu halten. Und eventuell muss noch die Harnröhre verlegt werden, das heißt, ich bräuchte eine dritte OP“, berichtet Edelgard Frerks-Merseburger. Was vorbeugend und auch nach einer OP wichtig ist, um die Kontinenz zu erhalten: die Stärkung der Beckenbodenmuskulatur. „Trotz meiner Bauchmuskeln durchs Paddeln hat mir die Beckenbodengymnastik bei einer Physiotherapeutin viel gebracht. Man lernt Muskeln anzuspannen, von denen man vorher gar nicht wusste, dass sie da sind! Man lernt Übungen fürs Liegen, Sitzen, Stehen und diese in den Alltag einzubauen“, spricht sich die Hamburgerin positiv zur Wirkung der speziellen Übungen aus.
Auch Gynäkologe Abdelkawi empfiehlt die von Fachleuten angeleitete Gymnastik: „Was sicher kein Fehler ist, und was wir als Prophylaxe empfehlen: den Beckenboden frühzeitig trainieren. Das hat in jedem Fall bessere Operationsvoraussetzungen zur Folge. Wenn die Inkontinenz doch eintritt, wird der Zeitpunkt öfter nach hinten verlagert. Aber das muss man auch sagen: Eine Bindegewebsschwäche kann man nicht wegtrainieren.“
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